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Die Suche nach einem Impfstoff gegen das HI-Virus ist innerhalb der letzten 40 Jahre nicht gelungen. Die Impfstoffe scheitern vor allem an den zahlreichen Varianten und der schnellen Mutation des Virus. Eine neue Impfstrategie soll jetzt Abhilfe leisten und die mRNA-Technologie, die bereits erfolgreich bei der Impfung gegen SARS-CoV-2 eingesetzt wird, solls möglich machen.
Am 27.01.2022 gab das Biotech Unternehmen Moderna bekannt, dass sein neuer HIV-Impfstoffkandidat im Rahmen einer Phase I Studie 56 gesunden, HIV-negativen Probanden verabreicht wurde. Es handelt sich um einen mRNA-Impfstoff der die Bildung von sogenannten „broadly neutralising antibodys“ (bnABs) gegen das HIV-Envelope Protein auslösen soll. Diese speziellen Antikörper wirken gegen eine Vielzahl verschiedener Varianten und sollen dadurch die Problematik der schnellen Mutation lösen.
Erreicht wird dies durch das „germline targeting vaccine design“. Dieses besteht aus einem Impfschema mit mindestens zwei unterschiedlichen Impfungen. Die erste Impfung wird auch als Priming bezeichnet und soll die Vermehrung der speziellen B-Zellen anregen, die zur Bildung von bnAB führen. Dazu wird eine mRNA appliziert, die als Bauplan für sollche Antigene dient, die diese speziellen B-Zellen addressieren. Diese Antigene ähneln jedoch nur wenig dem tatsächlichen Virusantigen. Daher muss in den darauffolgenden Booster Impfungen die Bindung der Antikörper an das Target, das natürliche Envelope-Protein des Virus, verbessert werden. Dafür wird in einer zweiten oder sogar dritten Impfung mRNA appliziert, die als Baupläne für Antigene dienen, die dem Envelope-Protein zunehemend ähneln. Die B-Zellen sollen dadurch dazu gebracht werden bnABs zu bilden, die an das natürliche Target binden.
Vorherige Studien an Makaken zeigten vielversprechende Ergebnisse. So konnte eine 79%ige Risikoreduktion einer Ansteckung bei Virusexposition festgestellt werden. Zieht man die zahlreichen unterschiedlichen HIV-Varianten in Betracht ist dies ein großer Erfolg und in jedem Fall ein Schritt in die richtige Richtung.
Warum eine Impfung, es gibt doch die PrEP?
Weltweit würden Menschen von einer Impfung gegen HIV profitieren. Zwar schützt die PrEP hocheffektiv vor einer Ansteckung, jedoch kommt es bei einigen Anwendern zu unangenehmen Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Müdigkeit und Magen-Darm-Beschwerden oder Anwendungsfehlern. Zudem ist die Schutzwirkung nur für die Dauer der Anwengung gegeben, es ergibt sich kein dauerhafter Schutz vor einer HIV-Infektion. Vor allem in Ländern mit schlechtem Zugang zur PrEP ist die Impfung von großem Wert für die Prävention von HIV, da eine regelmäßige Versorgung mit dem Medikament nicht immer gewährleistet werden kann. Sie ist daher ein weiterer, bedeutender Schritt auf dem Weg zum Ende der HIV-Pandemie.
Quelle: „Erste klinische Tests eines mRNA-Impfstoffes gegen AIDS“ Aerzteblatt.de. 28.01.2022
„Moderna testet mRNA-basierte HIV-Impfung“ DAZ 31.01.2022
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Seit Ende 2021 ist die neue HIV-Prophylaxe Apretude® der Firma Viiv Healthcare als Alternative zur aktuellen Tablettentherapie auf dem US-amerikanischen Markt. Doch für welche Personengruppe bietet das häufig als HIV-„Impfung“ betitelte Mittel Vorteile? Vorneweg, es handelt sich nicht um eine Impfung, sondern um eine Depotspritze, die alle zwei Monate in das Gesäß appliziert wird. Der Wirkstoff Cabotegravir, ein Integrasehemmer, verhindert den Einbau der HI-Virus-DNA in die menschliche DNA und schütz so vor einem Virusbefall der T-Helferzellen.
Die orale Therapie, wie sie derzeit in Deutschland im Einsatz ist, beruht auf einem anderen Wirkprinzip und muss täglich eingenommen werden. Die Wirkstoffe Tenofovirdisoproxil und Emtricitabin blockieren das Umschreiben der viralen RNA in DNA, indem sie das HIV-eigene Enzym Reverse Transkriptase hemmen.
Die Studienlage spricht auf den ersten Blick für Apretude® - höhere Effektivität, bei allgemein besserer Verträglichkeit. In der Zulassungsstudie hatten Männer und Transmänner mit Depottherapie ein 69 % geringeres Risiko an einer HIV-Infektion zu erkranken, als die Vergleichsgruppe mit der Tablette Truvada® (Emtricitabin/Tenofovirdisoproxil). Bei Frauen konnte das Risiko im Vergleich um 90% gesenkt werden. Grund dafür ist die oftmals geringere Wirkstoffkonzentration in der Vaginalschleimhaut, insbesondere falls eine Tagesdosis vergessen wurde. Hier kann eine Depot-Arzneiform gegensteuern. Dabei ist nicht zu vergessen, dass die orale PrEP immer noch hochwirksam ist. Die Wirksamkeit hängt aber eng mit der Adhärenz der Patient:innen zusammen, im Gegensatz zur Injektion.
Zugelassen ist Apretude® für Jugendliche und Erwachsene ab 35 Kilogramm, die einen negativen HIV-Test vorweisen können. Nehmen unwissend HIV-positive Personen eine PrEP in Anspruch, können bei Behandlungsbeginn bereits therapieeinschränkende Resistenzen vorliegen. Dies sollten in jedem Fall vermieden werden. Um die Verträglichkeit zu testen, starten Betroffene mit einer Ein-Monats-Depot-Spritze und wiederholen dies im Folgemonat. Alternativ kann Cabotegravir initial als Tablette geschluckt werden, um die Verträglichkeit des Wirkstoffes zu überprüfen. Danach wird im zwei-Monats-Rhythmus ein Arztbesuch anstehen.
Im Vergleich zur oralen Therapie, die für 3 Monate verordnet werden kann, steigen folglich die Arztbesuche. Der Vorteil der langen Halbwertszeit ist jedoch gleichzeitig auch ein Nachteil. Bis zu ein Jahr nach Therapieabbruch ist Cabotegravir im Blut nachweisbar, jedoch ohne einen ausreichenden Schutz bieten zu können. Sollte es in dieser Zeit zu einer Infektion kommen, steigt das Risiko für Resistenzbildung gegen bestehende Therapiemöglichkeiten. Eine Lösung für dieses Problem ist eine einjährige orale PrEP im Anschluss.
Nebenwirkungen die häufiger unter der 2-Monatsspritze auftraten waren Reaktionen an der Injektionsstelle, Kopfschmerzen, Fieber, Müdigkeit, Rückenschmerzen, Muskelschmerzen und Hautausschläge.
Für welche Zielgruppe ist Apretude® also eine gelungene Alternative? Auf Grund der langen Halbwertszeit empfiehlt sich die Therapie besonders für Patienten, die sich mehrere Jahre unter einem erhöhten HIV-Expositionsrisiko befinden oder mit der oralen PrEP viel Reisen müssten. Die Zulassung für den deutschen Arzneimittelmarkt wurde bereits vom Hersteller Viiv Healthcare beantragt und wartet auf ihre Bestätigung.
Quelle: viivhealthcare.com/hiv-news-and-media
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Telaprevir wurde ursprünglich 2011 als Incivo® in der EU zusammen mit Peginterferon α und Ribavirin zur Behandlung der Hepatits C zugelassen. 2016 wurde es von Janssen wieder vom Markt genommen, wurden doch in der Zwischenzeit deutlich zuverlässigere und einfachere Therapien zur Heilung einer chronischen HCV-Infektion zugelassen (u.A. Epclusa®, Harvoni®).
Der dadurch überflüssig gewordene Arzneistoff hat in einer Studie der New York University nun seinen Nutzen bei einer ganz anderen Krankheit gezeigt – Tuberkulose.
Antituberkulotika greifen an verschiedenen Stellen im Stoffwechsel des Erregers Mycobacterium tuberculosis ein. Interessant für die Wirkung von Telaprevir sind vor allem Antibiotika, die die Proteinbiosynthese hemmen. Durch sie häufen sich in den Mykobakterien fehlerhafte Proteine an, die letztendlich zum Erliegen des Stoffwechsels führen und das Bakterium abtöten. Bakterien sind allerdings in der Lage, einige dieser fehlerhaften Proteine zu reparieren und in ihre korrekte Form zu bringen. Dafür nutzen sie sog. „Chaperone“, die, wie der Name schon sagt, unfertige oder falsch geformte Proteine in ihre funktionsfähige, dreidimensionale Struktur bringen.
Telaprevir kann die Wirkung dieser Chaperone einschränken. Die durch Antitibiotikagabe fehlerhaften Proteine bleiben funktionsunfähig, erschweren dem Bakterium die Bildung von Resistenzen und machen es empfindlicher gegenüber anderen Antituberkulotika wie Rifampicin oder Aminoglykosid-Antibiotika. Es könnte also effektiv die Entstehung von Antibiotikaresistenzen verhindern oder resistenten Patient:innen den Zugang zu neuen alten Therapieoptionen ermöglichen.
Die Ergebnisse dieser Studie sind vorläufig. Es ist unwahrscheinlich, dass gerade Telaprevir in Zukunft für die unterstützende Therapie der Tuberkulose zugelassen wird. Allerdings ist es ein Ausgangspunkt für die Entwicklung weiterer Wirkstoffe, die auf den Erkenntnissen zu Telaprevir aufbauen können. Denn das Target von Telaprevir, die bakteriellen Chaperone, sind ein bisher noch wenig erforschtes Gebiet.
Quelle: https://doi.org/10.1016/j.chembiol.2021.11.004; Hosfelt J et al, An allosteric inhibitor of bacterial Hsp70 chaperone potentiates antibiotics and mitigates resistance,