Berlin - Der Pharmakonzern Janssen stößt mit seiner Preispolitik bei den auf HIV-Patienten spezialisierten Apotheken auf massiven Widerstand. Weil der Hersteller die Lagerwertverluste nach einer Preisanpassung nicht ausgleichen will, wirft ihm die Deutsche Arbeitsgemeinschaft der HIV- und Hepatitis-kompetenten Apotheken (DAH²KA) vor, die Patienten im Stich zu lassen. Die Apotheker sollten dies klar kommunizieren, auch gegenüber den verordnenden Ärzten.

Janssen hatte für sein Produkt Symtuza (Darunavir/Cobicistat/Emtricitabin/Tenofoviralafenamid) zum 15. August den Preis der Dreimonatspackung massiv auf knapp 950 gesenkt. Hintergrund war eine Reduktion des Erstattungsbetrages nach Preisverhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband. Für Apotheker bedeutet dies stets: Packungen an Lager verlieren über Nacht an Wert. Der Konzern hatte mitgeteilt, die Differenz nicht auszugleichen. Mehrere Apotheker hatten gegen diese Preispolitik bereits protestiert.

Auf die Versorgung von HIV-Patienten spezialisierte Apotheken sind natürlich besonders betroffen. Denn sie haben das antiretrovirale Präparat in der Regel in größerer Stückzahl an Lager. DAH²KA hatte deshalb den direkten Kontakt zu Janssen-Deutschlandchefin Dr. Iris Zemzoum gesucht. Doch der Konzern blieb hart. Der DAH²KA-Vorstand hat die eindeutige Antwort des Herstellers an seine Mitglieder weitergeleitet: „Janssen hat entschieden, Preisanpassungen, die aufgrund gesetzlicher Vorgaben wie dem AMNOG-Prozess notwendig sind, nicht zu erstatten.“

Dafür hat man bei der DAH²KA kein Verständnis: „Unsere Dienstleistung der Lagerhaltung und die zeitnahe Versorgung der Patienten ist von Janssen durch Frau Dr. Zemzoum eindeutig als überflüssig eingestuft worden“, so die Einschätzung des Vorstands, bestehend aus Erik Tenberken (Birken-Apotheke, Köln), Magdalene Linz (Leibniz-Apotheke, Hannover, und Präsidentin der Apothekerkammer Niedersachsen), Claudia Neuhaus (Witzleben Apotheken 24, Berlin) und Reik Hofmann (Quartier Apotheke Motzstraße, Berlin).

Die Apotheker wurden von Janssen Ende Juli darauf hingewiesen, „die gesetzliche Reduktion des Erstattungsbetrages bei Ihrem Bestellverhalten sowie Ihrer Lagerhaltung zu berücksichtigen, um eventuelle Lagerverluste zu vermeiden“. Die DAH²KA kontert: „Frau Dr. Zemzoum nimmt doch allen Ernstes mit ihrem Vorschlag der Reduzierung auf null Packungen zum Stichtag und einem anschließenden Fenster von 3 (!) Tagen mit Kurierdienst (ungewisse Lieferzeit) Versorgungslücken der Patienten in Kauf. Mögliche Therapielücken inklusive. Menschenverachtender gehts ja wohl nicht!“

Am Ende sollten die Apotheker alles auffangen und bezahlen, so die Kritik. Schließlich seien für die Patienten stets die Apotheker die Schuldigen, wenn sie die lebensnotwendigen Medikamente nicht vorrätig hätten. Die Konkurrenten von Janssen bekämen Preisanpassungen seit Jahren ohne Probleme geregelt, und ohne dass Patienten dies mitbekämen, heißt es in der Stellungnahme.

DAH²KA konfrontiert Janssen in dem Schreiben auch mit einem Zitat von der eigenen Homepage: „Wir wollen mehr Menschen an mehr Orten auf der Welt Zugang verschaffen: zu unseren Medikamenten und zu nachhaltigen, effektiven Gesundheitslösungen.“ Dazu kommentieren Tenberken & Co: „Die Firma Janssen setzt sich hohe Ziele, aber wenn es um Geld geht, welches den Apothekern abgepresst wird, ist das alles Makulatur.“

Denn in der Praxis geschehe genau das Gegenteil. „Ethik, Menschlichkeit und partnerschaftliches Verhalten sehen eindeutig anders aus“, so der Spezialverband der Apotheker.

Überhaupt fühlen sich die DAH²KA-Apotheker vom Konzern ausgegrenzt und verweisen auf ein Interview mit Zemzoum – gefunden wiederum auf der Janssen-Homepage. Dort hatte die Deutschlandchefin verlauten lassen: „Ich bin Ärztin. Und aus meiner Erfahrung als Ärztin weiß ich: Wenn wir alle – Gesundheitspolitiker, Krankenkassen, Ärzte, Kliniken und pharmazeutische Unternehmen – die Patienten-Perspektive einnehmen, können wir die medizinische Versorgung in Deutschland entscheidend verbessern.“ Die Apotheker fehlen in dieser Aufzählung.

DAH²KA hält das nicht für einen Zufall: „Deutlicher kann man unserem Berufsstand nicht mitteilen, dass man ihn für überflüssig hält. Da ist die Abwälzung des Lagerwertverlustes von 1285 Euro pro Packung nur folgerichtig.“

Für die Praxis bedeutet die Preispolitik des Herstellers aus Sicht der DAH²KA, dass Apotheker Hochpreiser der Firma Janssen nicht ohne unkalkulierbares Risiko vorrätig halten können. Wirtschaftlich risikolos zu bestellen, sei daher nur adhoc nach Eingang der Rezepte machbar. „Jeder mag für sich entscheiden, ob er dieses Risiko finanzieren kann und will“, so der DAH²KA-Vorstand an die Mitglieder.

Eine Handlungsempfehlung gibt es gleichwohl: „Um der Gefahr entgegen zu wirken, als Sündenbock dazustehen, sollten wir die Zwangsgründe für die uns aufgezwungene neue Lagerhaltung offensiv an Patienten und Ärzte kommunizieren.“

Quelle: Apotheke-Adhoc.de, 27.08.2018

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