Das menschliche Immunsystem ist komplex. Dringt ein Krankheitserreger in den menschlichen Körper ein, wird sein Antigen von T-Zellen über spezielle Rezeptoren erkannt, eine Immunreaktion ausgelöst und anschließend ein Immungedächtnis über dieses Antigen angelegt. T-Zellen mit dem Oberflächenmerkmal CD4, auch T-Helferzellen genannt, stellen somit zentrale Akteure unseres Immunsystems dar.

Durch eine HIV-Infektion sinkt die Zahl der T-Helferzellen, da das Virus besonders T-Zellen mit dem Oberflächenmerkmal CD4 befällt und zerstört. Dadurch wird das Immunsystem infizierter Menschen geschwächt. Um zu sehen ob eine HIV-Therapie anschlägt, dient die Zahl der T-Helferzellen oft als Maß. Ist die Zahl der CD4-Zellen hoch, schlägt die Therapie an. Ist sie niedrig, greift die Therapie nicht.

Eine im „Journal of infectious diseases“ veröffentlichte Studie legt jedoch nahe, dass die Aussagekraft der CD4-Zellzahl zu hinterfragen ist. In der Studie wurde gezeigt, dass auch bei Patienten mit hoher CD4-Zellzahl das Immunsystem beeinträchtigt ist, obwohl diese offiziell als gut therapiert gelten. Die Forscher schlussfolgerten, dass das HI-Virus das Gedächtnis der CD4-Zellen löscht.  Dadurch können sich die Zellen an Infektionen und Impfungen, die der Patient schon einmal „durchgemacht“ hat, nicht mehr erinnern – die eigentliche Stärke des Immunsystems wird hier zur Schwäche. Das Immunsystem kann nicht mehr effizient arbeiten, Patienten werden anfälliger für Infektionen, welche lebensbedrohlich sein können.

Die Forscher betonen jedoch, dass sich die Studie lediglich mit der Reaktion bestimmter Immunzellen befasst – klinische Auswirkungen müssen erst untersucht werden. Weitere Studien dazu sind in Planung. Fest steht jedoch, dass ein frühzeitiger Therapiebeginn nach Erkennen einer HIV-Infizierung unumgänglich ist. So kann die Virusvermehrung gestoppt und einem immunologischen Gedächtnisverlust weitestgehend vorgebeugt werden.
 
Quelle: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/immunologischer-gedaechtnisverlust-durch-hiv/12.02.2020